A day to remember

Mein Zieleinlauf ist jetzt gute 24 Stunden her – und ich liege wie der Tiger nach einem verlorenen Kampf im Bett und lecke meine Wunden. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich keinen Kampf verloren habe – ganz im Gegenteil.

Perfekte Bedingungen und Party

Die Bedingungen für einen Marathon hätten nicht viel besser sein können: Schön kühl, wenig Wind und zu Beginn auch kein Regen. Ich hatte schon vor dem Start das Gefühl, dass dieser Tag zu etwas ganz großem Taugen würde.

Die ersten Kilometer durch Stockum vergingen, angeführt von meinen Trainern Thomas und Kai (der als Atze Schröder verkleidet die Stimmung hoch hielt), wie im Fluge. Wir bekamen dabei auch einen kleinen Vorgeschmack auf die gigantische Party, die uns an der Strecke erwartete.

In Oberkassel traten dann zwei Dinge gleichzeitig ein: Zum einen beglückte uns ein starker Regenguss, zum anderen begann mein linker Fuß sich zu melden und ich bekam leichte Zweifel, ob ich das durchhalten würde. Konditionell war ich jedoch topfit, die Laune war bestens.

Die erste Hälfte des Marathons war also ganz plötzlich vorbei, eine Schmerztablette beendete die Probleme im linken Fuß – und alles erschien ganz leicht. Ganz erstaunlich, wie gleichmäßig ich bis dahin in der Gruppe laufen konnte, es schien perfekt auf die Zielzeit von 4:15 hinaus zu laufen.

Man will, dass es aufhört

Aber der Schein trog: Bis Kilometer 26 war das Tempo der Gruppe für mich kein Problem – und dann, ganz plötzlich kam der Mann mit dem Hammer. Wie aus dem Nichts hatte ich plötzlich hundert Meter Rückstand auf meine Gruppe, egal was ich auch versuchte, mein Tempo wurde immer langsamer und der Abstand größer. Ich hatte das Gefühl, je mehr ich versuchte schneller zu laufen, desto langsamer wurde ich. Wie ein Schwimmer, der gegen eine immer stärkere Strömung ankämpfen muss.

Kai lies sich zurück fallen und fragte, was mit mir los sei. Nach meiner Schilderung der Probleme machte ich ihm meine Zweifel deutlich, bis zum Ende durchhalten zu können. „Flo, ist mir scheiß egal! Egal, was hier passiert, du kommst ins Ziel, egal wie! Ist das klar? Lauf DEIN Tempo, zur Not gehst du ein paar Kilometer und lässt dich massieren. ABER DU KOMMST INS ZIEL!“ Ich nickte. „Ich versuchs“. „Hau rein, wir sehen uns im Ziel.“ Mit diesen Worten rannte er davon und zurück zur Gruppe. Ich wollte nicht mehr. Im Prinzip wollte ich gar nichts mehr. Ich wollte nichts trinken, ich wollte nichts essen. Ich wollte einfach nur, dass es aufhört.

Auf der Brehmstraße war ich dann also plötzlich allein – und noch 15 Kilometer vor mir. Klar wollte ich gerne ankommen. Aber ich beschloss die Sache defensiv anzugehen und von Kilometer zu Kilometer zu denken. Jetzt ging es an das angekündigte Gras fressen, jetzt musste ich beweisen, wie viel Kampfkraft in mir steckt.

Gel und Party sorgen für die Wende

Ich nahm eins von diesen Powergels, in der Vergangenheit hatte mir das über den Berg geholfen. Zunächst erschien mir die Wirkung des Gels aber zu verpuffen. Doch dann kam die Fritz-Wüst-Straße. Was hier jedes Jahr für eine einmalige Party abgefeuert wird, ist echt der Wahnsinn, hier fliegt man durch die Massen, die Bilder ähneln der Tour de France, wenn die Fahrer die höchsten Gipfel erklimmen. Hier läuft es sich für wenige hundert Meter wie von selbst.

Und scheinbar gleichzeitig setzte die Wirkung des Gels ein: Ich konnte zwar nicht wieder schneller laufen, aber es lief einfach wieder Rund. Christian Dierschke und mein Bruder Christian, die mich auf Skates immer wieder begleiteten, gaben mir die moralische Unterstützung und reichten mir immer wieder Getränke und ein zweites Gel. Zwar lag noch die ganze Schleife durch den Hafen vor mir – aber ich sah die Sache wieder etwas optimistischer.

Kilometer für Kilometer zählten wir gemeinsam runter, an den Hafen habe ich praktisch keine Erinnerung. Immer wieder dachte ich mir „Jetzt mach den Kilometer noch, gehen kannst du danach immer noch.“ Aber ich ging nicht. Ich lief. Gegen all die Schmerzen, gegen die brennenden Muskeln, gegen den Willen, aufzuhören.

4:30 oder nicht?

Was folgte, war die längste Königsallee aller Zeiten. Ich wusste: „Nur noch die Kö rauf und runter – dann ist es im Prinzip geschafft.“ Aber ich hatte nicht auf dem Zettel, WIE lang diese Königsalle ist, nach 39 Kilometern zog sie sich wie Kaugummi.

Ich würde ankommen, so viel war klar. Und plötzlich begann ich auch zu rechnen: Noch drei Kilometer und 21 Minuten bis zur magischen Grenze von 4:30:00. Würde ich das knacken können? Ich zog für einige Meter das Tempo an. Mir wurde klar: Keine Chance, dass Tempo halte ich niemals durch. Ich wurde wieder langsamer.

Bei der nächsten Kilometermarke wieder die gleiche Rechnung. Mit dem gleichen Ergebnis: Kurz schneller geworden, gemerkt, es geht nicht und sich auf den Zieleinlauf gefreut. Am Apolloplatz zog ich wieder das Tempo an. Das Ziel im Blick wurde mir plötzlich klar, was ich gerade unmenschliches geleistet hatte. Absoluter Stolz durchströmte mich.

Dann die Kilometermarke 42. Mir blieb keine Minute bis zur 4:30er Marke für die letzten 195 Meter. Im normalen Zustand sind 50 Sekunden für 200 Meter kein Problem – nach 42 Kilometern ist das gar nicht so einfach.

Ich zog noch mal an, kämpfte gegen den Schwindel und holte alles raus, was noch da war. Überquerte die Ziellinie. Druckte „Stopp“ auf meiner Uhr. Grenzenloser Jubel. Auf der Uhr stand exakt 4:29:59:59. 41 Hundertstel unter 4:30, handgestoppt. Ich war glücklich., euphorisiert und natürlich gehörig im Eimer.

Danke Danke Danke

Ich habe es also mal wieder geschafft. Während ich jetzt zu Hause, unfähig zu jeder Bewegung im Bett liege und unglaublich Stolz auf mich und meine Leistung bin, gilt natürlich mein Dank allen Leuten, die dieses Projekt unterstützt haben: Allen voran das Trainerteam um „Active First“-Chef Holger Schütt, allen Freunden, die an der Strecke waren, inklusive natürlich dem Dokumentationsteam Christian Dierschke, Christoph Jungbluth und meinem Bruder Christian Kels, sowie allen Spendern, die das Projekt „Laufen fürs Leben“ durch eine kleine Gabe unterstützt haben. Und natürlich ganz Düsseldorf für diese gigantisch geile Party, die gestern trotz Regens, die gesamte Innenstadt beherrschte. Ganz ganz lieben Dank!

Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “A day to remember

  1. Markus 3528

    Hallo Flo,
    es war unglaublich, wie Du bei KM40 an mir vorbeigezogen bist, nachdem Du Dich vorher so gequält hast! Ich habe auf den letzten 2 km noch fast 6 Minuten auf Dich verloren! Also: Respekt und Danke für die musikalische Untermalung beim Laufen (zumindest die 1. Hälfte)!
    Gruß,
    Markus
    P.S.: tolle Webseite!!!!

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